Anlässlich des Welt-AIDS-Tags am 1. Dezember ruft die Aids Hilfe Wien die Politik – insbesondere eine künftige Bundesregierung – zu verstärktem Engagement für die sexuelle Gesundheit in Österreich auf. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Neudiagnosen bei HIV seit langem auf relativ hohem Niveau stagnieren und die Infektionsraten bei anderen sexuell übertragbaren Infektionen in Europa und auch Österreich alarmierend steigen. Diese Zahlen verdeutlichen den Bedarf an umfassenden Gesundheits- und Beratungsleistungen. In den kommenden zwei Jahren
plant die Aids Hilfe Wien die Errichtung eines „Zentrums für sexuelle Gesundheit“, um dringend benötigte Angebote wie Tests, Beratung, Prävention und künftig auch die Behandlung von HIV und anderen sexuell übertragbare Infektionen (STI) an einem Ort zu vereinen. Mit dem geplanten Zentrum wird die Aids Hilfe Wien nicht nur bestehende Lücken schließen, sondern auch einen sicheren Raum schaffen, in dem Menschen Zugang zu den benötigten Ressourcen und Informationen haben, um ihre sexuelle Gesundheit selbstbestimmt zu fördern.
Aids Hilfe Wien konstatiert: Handlungsbedarf ist vielfältig und dringend
Auch wenn das Leben mit einer HIV-Diagnose mit den heute etablierten Therapien gut bewältigbar ist, bedeutet sie für manche Menschen einen dramatischen Einschnitt. Viele Menschen mit HIV erleben leider heute immer noch abwertendes Verhalten, wenn sie ihren HIV-Status bekannt geben. Angst, Scham und ein herabgesetztes Selbstwertgefühl – verursacht durch Diskriminierung – führen bei Menschen mit HIV häufig zu einer schlechteren Lebensqualität. Doch das müsse nicht sein, so Dr.in Mirijam Hall, Vorsitzende der Aids Hilfe Wien. Sie hebt hervor: „Neben dem niederschwelligen Zugang zu modernen Therapien – künftig dann auch bei uns im Haus – müssen wir auch über die bestehende Stigmatisierung von Menschen mit
HIV sprechen. Denn allein schon die Angst davor, als HIV-positiver Mensch vielleicht stigmatisiert zu werden, hält Menschen von einem HIV-Test ab. Hier gibt es noch viel zu tun.“
Und weiter: „Bauen wir Vorurteile ab, indem wir uns alle informieren und schaffen wir gemeinsam Räume, in denen es zunehmend normal ist auch über Themen rund um sexuelle
Gesundheit zu reden.“
Darüber hinaus nehmen europaweit sexuell übertragene Infektionen (STI) wie Syphilis, Gonorrhoe und Chlamydien besorgniserregend zu. Österreich liegt laut dieser internationalen
Erhebungen ebenfalls in diesem bedenklichen Trend und fällt besonders durch hohe Werte bei Gonorrhoe und Chlamydien-Infektionen auf. Die bestätigen auch die Testergebnisse im
Aids Hilfe Haus, valide österreichweite Gesamt-Zahlen zu der Verbreitung der STI Chlamydien, Gonorrhoe und Syphilis liegen nicht vor.
All das unterstreicht den Bedarf fundierte Datenerhebung zu forcieren, das Testangebot zu erweitern sowie verstärkt Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch wenn die Rückerstattung der
Präexpositionsprophylaxe (PrEP) durch die Gesundheitskassen (außer KfAs) einen wichtigen Meilenstein markiert, bleibt der Zugang zu Tests und Beratungen für viele Menschen
unzureichend. Die Aids Hilfe Wien wird deshalb im Auftrag der Wiener Landeszielsteuerungskommission ein Zentrum für sexuelle Gesundheit schaffen, dass Menschen einen diskriminierungsfreien und umfassenden Zugang zu Beratung, Prävention sowie medizinische und psychologische Behandlung bietet.
Abschließend betont Dr.in Mirijam Hall: „Sexuelle Gesundheit ist ein Menschenrecht und muss für alle zugänglich sein – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Hintergrund.
Nur durch eine verantwortungsvolle Politik (und den gezielten Einsatz von Präventionsmaßnahmen) sowie aufgrund einer validen Datenlage können wir die Stigmatisierung von HIV und STI abbauen und eine effektive Versorgung aller Menschen sicherstellen.“
Anlässlich des Welt-AIDS-Tages formuliert die Aids Hilfe Wien vier Forderungen an die Politik:
1. Null Diskriminierung von Menschen mit HIV und diskriminierungsfreie Räume schaffen
Es ist entscheidend, dass öffentlich und nachvollziehbar darüber informiert wird, dass Menschen mit HIV unter wirksamer Therapie das Virus auf sexuellem Wege nicht weitergeben
können. Niemand soll aufgrund seiner HIV-Infektion eine Ungleichbehandlung erfahren müssen. Denn die Einschränkung der Lebensqualität und des psychischen Befindens durch
Abwertung und Diskriminierung, verursacht viel größere Probleme als die tatsächlich geringen gesundheitlichen Einschränkungen, die sich aufgrund einer HIV-Infektion unter wirksamer
Therapie heutzutage ergeben. Zusätzlich müssen diskriminierungsfreie Beratungsräume gefördert werden, in denen Menschen sich vertrauensvoll und ohne Vorbehalte über HIV und
andere Themen der sexuellen Gesundheit informieren können. In diesen Räumen dürfen HIV-bezogene Vorbehalte kein Thema sein.
2. Zugang zu Test- und Beratungsangeboten ausbauen
Sexuelle Gesundheit ist ein Menschenrecht und umfasst den gesicherten Zugang zu Prävention, Diagnostik, Beratung und Behandlung. Um dieses Recht sicherzustellen, bedarf es politischer Verantwortung und Investitionen, die es allen Menschen ermöglichen, sich auf HIV und STI testen zu lassen, Zugang zu modernen Schutzmaßnahmen zu haben und gute,
niederschwellige Therapie in Anspruch zu nehmen. Nur durch flächendeckende Angebote kann die Ausbreitung wirksam eingedämmt werden.
3. Fundierte Datenerhebung für bessere Prävention ermöglichen
Eine aussagekräftige Datenlage ist entscheidend, um den Bedarf und die Prävalenz von HIV und STI besser einschätzen zu können. Wir fordern die politischen Entscheidungsträger*innen
daher auf, epidemiologische Forschung und die Erhebung verlässlicher Zahlen im Bereich der sexuellen Gesundheit proaktiv zu unterstützen.
4. HIV-Prävention kennt kein Alter – Aufklärungsarbeit stärken
Prävention und Bewusstsein für sexuelle Gesundheit sowie der Abbau von unbegründeten Vorurteilen und falschen Vorstellungen in Bezug auf HIV beginnen mit umfassender
sexualpädagogischer Aufklärung. Schulen und öffentliche Einrichtungen sollten wissenschaftlich fundierte, leicht zugängliche Informationen zu sexueller Gesundheit
bereitstellen können. Hierbei ist besonders wichtig zu vermitteln, dass HIV im normalen Alltagsleben nicht übertragbar ist und eine Angst vor Ansteckung unbegründet ist. Dazu tragen
die AIDS-Hilfen Österreichs mit ihrer Expertise bei.
Fazit:
Die Aids Hilfe Wien erinnert zum Welt-AIDS-Tag daran, dass eine Gesellschaft, die sexuelle Gesundheit als Grundrecht anerkennt, eine gesündere Gesellschaft für alle ist. Die
Rückerstattung der PrEP war ein erster Meilenstein, doch der Weg zu umfassender sexueller Gesundheit ist noch lang. Die Aids Hilfe Wien wird sich – auch mit einem künftigen Zentrum
für sexuelle Gesundheit – weiterhin für die Verbesserung dieser Angebote und den Schutz der Menschenrechte in Österreich einsetzen.
**Veranstaltungshinweis**:
Veranstaltung der Aids Hilfe Wien zum Welt-AIDS-Tag
„HIV-Prävention kennt kein Alter. Gemeinsam für sexuelle Gesundheit.“
Was müssen sexualpädagogische Angebote beinhalten, um einen wirksamen Beitrag zur
Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen zu leisten? Wie kann Sexualpädagogik den
Bedürfnissen der heutigen Zeit gerecht werden? Eine Kooperation mit der Urania Wien, im
Rahmen des Projekts „Take Pride in your Health“.
Wann: Donnerstag, 28. November 2024, ab 14.00h Publikumsöffentlicher Teil (Voguing
Workshop, ab 18.15h Panel – Talk „Kondome ciao? Sicher nicht!“, im Anschluss Get-Together.
Wo: VHS Urania Wien, Uraniastraße 1, 1010 Wien
Anmeldung: office@aids-hilfe-wien.at – Stichwort „Voguing“ oder „Diskussion“
Weiterführende Links
www.aids.at
www.weltaidstag.a
Juliana Metyko-Papousek, BA
+43(0)1/59937-82 /
metyko@aids-hilfe-wien.at