Die AIDS-Hilfen Österreichs: HIV-positive Menschen werden vor Gericht diskriminiert

Wien, im Oktober 2021 – Die AIDS-Hilfen Österreichs präsentieren ein Positionspapier gegen Diskriminierung vor Gericht und fordern die Entstigmatisierung von HIV-Positiven im Strafrecht. Dabei ist es ausschlaggebend und notwendig, dass den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Medizin gefolgt wird. Denn Menschen mit HIV, die regelmäßig ihre Therapie

Pressetext

Die AIDS-Hilfen Österreichs: HIV-positive Menschen werden vor Gericht diskriminiert

Wien, im Oktober 2021 – Die AIDS-Hilfen Österreichs präsentieren ein Positionspapier gegen Diskriminierung vor Gericht und fordern die Entstigmatisierung von HIV-Positiven im Strafrecht. Dabei ist es ausschlaggebend und notwendig, dass den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Medizin gefolgt wird. Denn Menschen mit HIV, die regelmäßig ihre Therapie einnehmen und deren Virenlast unter der Nachweisbarkeitsgrenze liegt, stellen keine Gefährdung dar.

Der ungeschützte Sex zwischen einer HIV-positiven Person mit einer HIV-negativen Person kann nicht nur gesundheitliche, sondern auch rechtliche Folgen haben. In vergangenen Entscheidungen vor Gericht, wurden HIV-positive Menschen trotz wirksamer Therapie und dem Umstand, dass gar keine Übertragung stattgefunden hat, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Es wurde somit das Gefährdungspotential für eine Ansteckung unterstellt. Erfreulicherweise hat das OLG Graz in einer 2020 ergangenen Entscheidung festgehalten, dass eine erfolgreiche HIV-Therapie eine Strafbarkeit ausschließt.

Durch Bestimmungen im österreichischen Strafrecht, die Paragrafen §§ 178 und 179 StGB, bzw. die bisherige Rechtsprechung dazu, werden Menschen mit HIV diskriminiert und stigmatisiert. Doch Menschen mit HIV, die regelmäßig eine wirksame Therapie einnehmen, können das HI-Virus nicht weitergeben und setzen daher beim Geschlechtsverkehr keine „gefährdende Handlung“. Da kein Risiko für eine Übertragung besteht, ist auch der Tatbestand des § 178 („Gefahr der Verbreitung“) nicht erfüllt.

Es ist daher notwendig, dass die Rechtsprechung den wissenschaftlichen Erkenntnissen der medizinischen Forschung folgt. So leistet sie auch einen notwendigen und wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung in Staat und Gesellschaft und fördert einen vorurteilsfreien Blick auf die Gruppe von Menschen mit HIV. Eine adäquate medikamentöse Therapie gilt nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft als Prävention, da sie nachweislich Übertragungen verhindert.

Personen, die sich konsequent einer wirksamen Therapie unterziehen, haben eine gute Lebensqualität bei einer normalen Lebenserwartung und können einen strafrechtlich sanktionslosen Sex praktizieren. Sie daher weiter als Gefährdungsträger*innen zu sehen und im schlechtesten Fall auch strafrechtlich zu verurteilen, ist falsch, diskriminierend und stigmatisierend.

Ein besonders problematisches Thema, das sich aus der Strafrechtsbestimmung ergibt, ist die Abwälzung der Verantwortung für die Ansteckung bei ungeschütztem Verkehr auf Menschen mit HIV. Die Eigenverantwortung ihrer HIV-negativen Sexualpartner*innen wird hierbei völlig außer Acht gelassen, obwohl diese durch ungeschützten Geschlechtsverkehr ebenfalls bei einer zur Verbreitung beitragen können.

Im schlimmsten Fall führen Urteile im Rahmen von §§ 178, 179 StGB, die HIV-Positive benachteiligen, zu genau den Konsequenzen, denen die Präventionsarbeit der AIDS Hilfen Österreichs seit Jahrzehnten entgegensteuert: Menschen lassen sich aus Angst oder Scham gar nicht mehr testen, es kann ein Klima entstehen, in dem nicht mehr offen über Sexualität und HIV gesprochen werden kann. Schon die „bloße“ Strafverfolgung durch Staatsorgane löst selbst bei einem Freispruch nach §§ 178 f bei den Betroffenen Angst, psychische Belastungen und oder zumindest große Verunsicherung aus. Jede Form der Kriminalisierung senkt die Testbereitschaft und die Einhaltung präventiver Maßnahmen.

 

Im Sinne der Ziele von UNAIDS und der Inhalte der Oslo Deklaration ist die Entkriminalisierung von HIV-positiven Menschen eine wesentliche Vorgangsweise, um Diskriminierung und Stigmatisierung zu verhindern.

 

Was die AIDS-Hilfen Österreichs fordern:

  • Wir fordern daher die Entkriminalisierung und somit die Entstigmatisierung von Menschen mit HIV durch das Strafrecht und die Rechtsprechung.
  • Eine HIV-Infektion darf nicht mehr von der Strafbarkeit von §§ 178f erfasst sein
  • Solange HIV von §§ 178f erfasst ist, muss bei der Entscheidung durch ein Gericht der aktuelle Stand der medizinischen Forschung beachtet werden. Das bedeutet, dass sowohl Safer Sex als auch das konsequente Verfolgen einer medikamentösen Therapie als Ausschlussgrund für ein Verfahren gelten müssen.
  • Schon im Vorfeld – bevor es überhaupt zu einem Gerichtsverfahren kommt – müssen die Strafverfolgungsbehörden (z.B. Polizei und Staatsanwaltschaft) von einer Anzeige oder Anklage absehen.

 

 

Weiterführende Links:

Positionspapier der AIDS-Hilfen Österreichs

https://aids.at/wp-content/uploads/2021/10/Strafrecht_AidsHilfenOesterreichs_06102021.pdf

Rückfragehinweis

Juliana Metyko-Papousek, BA
+43(0)1/59937-82 /
metyko@aids-hilfe-wien.at

Zum Inhalt springen